Zweites Manifest des Spazialismo
Das Kunstwerk wird von der Zeit zerstört.
Wenn dereinst beim großen Weltenbrand sogar Zeit und Raum vernichtet werden, wird es auch keine Erinnerung mehr an die Denkmäler geben, die der Mensch errichtet hat, wiewohl kein Haar von seinem Haupt verloren gehen wird.
Aber wir haben nicht vor, die Kunst der Vergangenheit abzuschaffen oder das Leben zu unterbrechen. Wir wollen, dass das Bild aus seinem Rahmen und die Skulptur unter ihrem Glassturz hervortritt. Der luftige künstlerische Ausdruck einer einzigen Minute hat für die Ewigkeit die gleiche Bedeutung wie jener von der Dauer eines Jahrtausends.
Deshalb werden wir mit den Mitteln der modernen Technik am Himmel
künstliche Formen
wunderbare Regenbogen
Leuchtschriften
erscheinen lassen.
Mittels Funk und Fernsehen werden wir künstlerische Ausdrucksformen von ganz neuer Art ausstrahlen.
Während der Künstler anfangs, eingeschlossen in seinem einsamen Turm, lediglich sich selbst und sein Staunen darstellte und die Landschaft nur durch die Scheiben seines Fensters sah, während er später von seiner Burg in die Städte hinabstieg, die Mauern einriss, sich unter andere Menschen mischte und Bäume und Dinge aus der Nähe betrachtete, haben wir heutigen Vertreter einer raumbezogenen Kunst unsere Städte verlassen, unsere Hüllen und physischen Grenzen gesprengt, haben uns von oben betrachtet und die Erde von fliegenden Raketen aus fotografiert.
Das tun wir nicht, um die Herrschaft unseres Geistes über die Welt zu beweisen. Wir wollen damit vielmehr unser wahres Gesicht, unser wahres Bild wiedergewinnen: ein Wandel, der von der gesamten Schöpfung sehnsüchtig erwartet wird.
Lasst den Geist sein Licht verbreiten, in der Freiheit, die uns gegeben wurde.
Mailand, 18. März 1948