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#233

Duftobjekt

Walther, Franz Erhard (1939-) | Künstler:in

02:40

Als Lucio Fontana 1959 bei der documenta II zwei Bilder aus der zu dieser Zeit noch ganz neuen Serie der „tagli“ ausstellte, erregte das großes Aufsehen. Die beiden Schnittbilder wurden als Provokation wahrgenommen und intensiv diskutiert, wovon die damals noch am Anfang ihrer Karriere stehenden ZERO-Künstler Otto Piene (Jg. 1928) und Heinz Mack (Jg. 1931) ebenso berichteten wie der erst zwanzigjährige Franz Erhard Walther (Jg. 1939):

„Oben sehe ich an einer Wand mittlere Formate: monochrom weiß, eines türkisfarben. Der Künstler hatte da mit dem Messer Schnitte in die Leinwand gesetzt und bei dem türkisfarbenen Bild einen Schnitt grob mit Goldbronze überstrichen. Ich war völlig perplex. Obwohl ich gar nicht so genau wusste warum, fand ich das toll. Natürlich das Moment des Provokativen, so was hatte ich noch nie gesehen. Dann dachte ich: „Na, das ist, was die jungen Künstler heute machen“, und lese aber: „Lucio Fontana, geboren 1899“. Der ist 60 Jahre alt, das ist aber merkwürdig. Das werde ich nie vergessen. Ich habe das ernst genommen, weil das ein gestandener Mann gemacht hatte. Nicht ein Jungkünstler, der mal etwas ausprobiert. Das hat mich in der Vorstellung befeuert, dass der klassische Bildraum nicht mehr existiert.“

Franz Erhard Walther selbst hat mit seinen ungewöhnlichen Objekten und konzeptuellen Arbeiten seit den 1960er Jahren die klassische Kunst und ihre Rezeption durch die Betrachtenden verändert. Ein Beispiel für Walthers Ansatz ist das Wuppertaler Duftobjekt von 1963. Dieses Werk war seine erste verkaufte Arbeit und besteht aus einem gefundenen Matratzenteil, das mit Nessel überzogen ist. Ursprünglich war es so konzipiert, dass die Benutzer:innen das Kissen drücken sollten, um durch ein markiertes Loch Duft freizusetzen. Sowohl die Handlung des Drückens als auch der reale Raum, in dem sich der Duft verbreitet, wurden integraler Bestandteile des Kunstwerks. Für derart ungewöhnliche Objekte, die weder Malerei noch Skulptur waren, stieß er bei seinen Kommilitonen Gerhard Richter, Sigmar Polke oder Joseph Beuys auf wenig Verständnis. Zuspruch erhielt er dagegen von den ZERO-Künstler Heinz Mack und Otto Piene, die ebenfalls daran arbeiteten, den gewohnten Bereich der traditionelle Kunstgattungen zu verlassen.

Leider ist es aus konservatorischen Gründen heute nicht mehr möglich, das Duftobjekt aktiv zu nutzen. Doch auch theoretisch bleibt die ursprüngliche Idee bestehen: Das Drücken auf das Kissen, um den Duft freizusetzen, und der dadurch geschaffene Raum sind wesentliche Elemente, die das Kunstwerk definieren.

Material & Technik
Matratzenteil, Nessel, rosa Lack, Leim
Museum
Von der Heydt Museum
Datierung
1963
Inventarnummer
P 0507
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