Welche Rolle Lucio Fontana als Vorreiter und Mitstreiter für die Künstlergruppe ZERO und deren Umkreis hatte, zeigt sich unter anderem in diesem Werk „o. T. (Hommage à Fontana)“ aus dem Jahr 1963. Es entstand in einem genreübergreifenden Kooperationsprojekt und vereint die kreativen Kräfte der Künstler und Freunde Fontanas Jef Verheyen (1932–1984) und Hermann Goepfert (1926–1982). Im Zentrum steht ein monochromes, in Blau gehaltenes Gemälde von Verheyen. Doch dieses Gemälde ist mehr als nur eine Farbfläche: Es ist durchzogen von den charakteristischen „buchi“ – kleinen Perforationen, die Fontana berühmt gemacht haben.
Diese Löcher, angeordnet in zwei großen Kreisen, verleihen der Leinwand eine gewisse Durchlässigkeit. Doch damit nicht genug: Vor den Kreisen hängen zwei dreidimensionale Metallobjekte, geschaffen von Hermann Goepfert. Diese länglichen Objekte bestehen aus Metallbändern, die ebenfalls Kreise in sich tragen. Je nach Beleuchtung und Bewegung werfen sie verschiedene Schatten auf die Leinwand und verändern so die Wahrnehmung des Werkes ständig. Die Leinwand wird somit nicht als geschlossener Raum, sondern als ein durchlässiges Medium erlebt, das mit Licht und Schatten spielt und sich stetig verwandelt.
Jef Verheyen war bekannt für seine zahlreichen Kooperationswerke, in denen er verschiedene Kunstgattungen und Weggefährten zusammenführte. Wer mehr über seine monochrome Malerei erfahren möchte, hat aktuell die Möglichkeit, seine Werke in der Ausstellung „Gegen den Himmel. Contre le ciel, Jef Verheyen, Johanna von Monkiewitsch“ im Museum Morsbroich in Leverkusen zu entdecken.
Verheyen beschrieb in seinem Tagebuch seinen ersten Besuch im Atelier von Lucio Fontana im Februar 1958: „Ich habe heute Fontana besucht. Ein schöner Alter [sic] stand an der Tür eines alten barocken Hauses, um uns zu begrüßen. Wir gingen direkt durch einen großen Innenhof (so einen muss ich auch eines Tages haben, aber kleiner) in einen großen Park, le chique. Hinter der Tür war viel Kichern zu hören. Das Atelier war voller Models, überall, sie trugen rosa, blaue und malvenfarbene Blumenkleider, auf den Tischen standen Gläser und Champagnerflaschen, ein Fotograf war damit beschäftigt, all dieses Durcheinander für irgendeine Modezeitschrift zu fotografieren. Mitten in diesem Basar zeigte mir Fontana seine Arbeiten. Selbst in seinen progressivsten Stücken war ein Teil dieser verrückten Atmosphäre enthalten, eine gewisse Mischung aus Glamour und Ernsthaftigkeit. Nach zehn Minuten hielt ich es in den Händen. Das raffinierteste Werk, das ich je gesehen hatte. Stücke aus Glas, alle Farben übereinander, auf Leinwänden mit Löchern. Was für eine Wirkung das ergibt. Manchmal nur eine farbige Leinwand, rot oder blau, mit auf eine bestimmte Weise gemachten Löchern, bis ein Spiel aus Licht, Raum, kosmischem Raum entsteht, das einen in seinen Bann zieht. Ich konnte nicht aufhören, hinzusehen, auf all das zersplitterte Glas. Es ist magisch. Es zieht einen hinein, wohin? Ja, vielleicht in sein Bewusstsein, das wohl keinen Tag gealtert ist, seit er geboren wurde. Große weiße Gemälde, mit Löchern, die Schatten werfen, und schwarze Kratzer hier und da, erinnern an Schnee, Luft oder schließlich ich weiß nicht was. Er zeigte mir alles und sagte mir, dass er glücklich sei mit meinem (dummen) Gemälde, das er auf meiner Ausstellung gekauft hatte. [Die Ausstellung fand in der Galleria Pater in Mailand statt und war kurz zuvor eröffnet worden [...].”
- Material & Technik
- Öl auf Leinwand, Aluminium, Eisen, Stahl, selbstklebendes Textilband
- Museum
- Dierking – Galerie am Paradeplatz, Zürich
- Datierung
- 1963
- Inventarnummer
- 101