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Eidos IV

Baumeister, Willi (1889-1955) | Künstler:in

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Willi Baumeister, der in Stuttgart bei Adolf Hölzel studiert hat, orientiert sich in den 1920er Jahren am französischen Kubismus und Purismus. 1931 wird er Mitglied der Pariser Künstler:innenvereinigung „Abstraction-Création“, die ein Forum für Abstrakte Kunst schaffen wollte. In der Zeit des Nationalsozialismus verliert Baumeister seine Stelle an der Frankfurter Kunstgewerbeschule und Bilder von ihm werden in der Ausstellung der entarteten Kunst gezeigt. In der Wuppertaler Lackfabrik von Kurt Herberts kann Baumeister ab 1937 jedoch verdeckt weiter künstlerisch tätig sein. Zum Künstlerkreis dieses berühmt gewordenen Wuppertaler Maltechnikums gehören auch Oskar Schlemmer, Franz Krause und Georg Muche.

Die 1947 von Baumeister veröffentlichte theoretische Schrift „Das Unbekannte in der Kunst“ ist zwischen 1943 und 1944 entstanden, als es immer schwieriger wurde künstlerisch tätig zu sein. Diese Abhandlung war für die Legitimation der abstrakten Kunst im Diskurs der Nachkriegsjahre entscheidend. „Vom Standpunkt des Malers aus ist Malerei die Kunst des Sichtbarmachens von etwas, das durch ihn erst sichtbar wird, und vordem nicht vorhanden war, dem Unbekannten angehörte“, schreibt Baumeister zum Beispiel in „Das Unbekannte in der Kunst“. Er fährt fort: „Das Unbekannte bildet den polaren Gegensatz zu jeder Erfahrung. Kunst sollte als Metamorphose betrachtet werden, als beständige Umwandlung“, was Baumeister durch die Vielgestaltigkeit in seinen Bildserien unterstreicht.

Zur Werkgruppe der Eidos-Bilder, die mit ihren Vorstufen bis 1936 zurückreicht, 1941 abgeschlossen wurde und rund 35 Gemälde umfasste, gehört das Bild „Eidos IV“ von 1938/39. In dieser Zeit gilt Baumeisters Interesse den Themen und Formen früherer Kulturen. Inspiriert von Kalligrafie und Hieroglyphen erfindet er allgemeingültige Bildzeichen für die menschliche Figur, für die Urkräfte der Natur und die Ursprünge des Lebens.

Das Wuppertaler Bild „Eidos IV“ aus der gleichnamigen Serie verweist auch auf die altgriechische Bedeutung „Gestalt“ und antike Konzepte der „Idee“ oder „Form“. In seinen „Eidos“-Bildern bezieht sich Baumeister auch auf ein Urbild des Lebens.  In den verschiedenfarbigen kurvigen Flächen und Linien des Gemäldes kann man eine Figur erkennen, die in einer Fantasiewelt mit mythischen Szenarien und geheimnisvollen Zeichen eingebettet ist. Zugleich erinnert „Eidos IV“ auch an den Blick durch ein Mikroskop auf Zellen, welche den Grundbaustein des Lebens bilden.

Auch die Werke „Metaphysische Landschaft – Strand“, „Montaru 5a“ und „Aru 7“ an dieser Wand stammen von Willi Baumeister und sind ab 1949 entstanden. Während die metaphysische Landschaft noch Assoziationen an reale Landschaften weckt, handelt es sich bei den letzteren Werken um völlig abstrakte Formen: Der helle Bildgrund ist jeweils rau strukturiert. Mittig breitet sich eine große, unregelmäßig gebildete schwarze Fläche aus, an deren Rändern Teilformen in rot, gelb, blau und grün lagern. Kleine amorphe Formgebilde, Linien und eine Spiralform umspielen scheinbar schwebend die Zentralfigur, die nicht statisch fest gefügt ist, sondern sich in einem Prozess ständiger Wandlung und abstrakter Neuformierung befindet.

Material & Technik
Öl auf Leinwand
Museum
Kunst- und Museumsverein
Datierung
1939
Inventarnummer
KMV 1947-48/17
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