Der in Berlin geborene Max Liebermann entstammte einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie. Zunächst erhielt er privaten Zeichenunterricht von Carl Steffeck, Professor an der Berliner Akademie. Er beendete seine Studien an der Weimarer Kunstschule. Anfangs stand Liebermanns Malerei unter dem Einfluss von Gustave Courbet und der Schule von Barbizon. Seit den 1870er Jahren reiste der Künstler immer wieder nach Holland, wo er Werke der niederländischen Malerei kopierte und eigene Studien betrieb. Trotz erheblicher Schwierigkeiten erwirkte er die Erlaubnis, in karitativen Anstalten zu malen.
Das 1876 vollendete Gemälde der Nähschule zeigt junge Mädchen in der Tracht des katholischen Waisenhauses. Sie sitzen in den gereihten Bänken des hellen Gemeinschaftsraums versammelt, emsig über die Näharbeit auf einem grünen Steckkissen gebeugt. Die straff gegliederte Komposition betont den Aspekt der gemeinschaftlichen Tätigkeit, hinter der individuelle Handlungen zurückzutreten. Die architektonische Strenge des Raums wird durch die von der Decke herabhängende Lampe, dem Bild an der Wand und dem Blumenstrauß auf dem Pult gemildert. Die Farbskala basiert im Wesentlichen auf Grau und Braun, kontrastiert von Grün- und Ockertönen sowie den vielfältigen Weißnuancen. Liebermanns konzentrierter Bildaufbau vermittelt sowohl Ruhe und Harmonie durch den klaren Bildaufbau und eine fast rhythmische Bewegung, hervorgerufen durch die Neigung der Köpfe und durch das in den Raum strömende Licht. Zarte Lichtreflexe sind auf den weißen Häubchen und Kragen der Mädchen erkennbar.
Das Gemälde hat eine bewegte Objektgeschichte. Es wurde mit Mitteln des städtischen Ankaufsfonds bereits 1908 aus bisher unbekannter Quelle erworben. Es gehörte die folgenden Jahrzehnte als Beispiel für den deutschen Impressionismus zum festen Bestandteil der Städtischen Galerie. Der 1935 verstorbene Max Liebermann war jüdischer Herkunft und seine Werke in öffentlichem Besitz nicht mehr erwünscht und ausstellbar. Im Bestandskatalog aus dem Jahr 1939, den Sie im nächsten Ausstellungsraum im Kapitel „W – Wissen“ ansehen können, wird das Gemälde nicht mehr aufgeführt, obwohl es noch im Museum war. Es wurde schließlich 1940 an Richard Lohe verkauft und aus dem Inventarbuch gestrichen. Glücklicherweise konnte das Museum es im Dezember 1949 von dem einstigen Käufer Richard Lohe zurückerwerben, so dass die „Holländische Nähschule“ wieder in die Sammlung des Museums zurückkehren konnte. Das Von der Heydt-Museum besitzt von Max Liebermann heute vier Gemälde und zahlreiche Arbeiten auf Papier.
- Material & Technik
- Holz (Mahagoni)
- Museum
- Von der Heydt Museum
- Datierung
- 1876
- Inventarnummer
- G 0122